Was muss man tun, wenn man die Zusammenveranlagung möchte?
Am 7. Mai 2013 hat das Bundesverfassungsgericht entscheiden, dass auch eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern das sogenannte Ehegattensplitting zu steht. Das Einkommensteuergesetz eröffnet bislang nur Ehegatten die Möglichkeit, die Zusammenveranlagung und die Anwendung der Splitting-Tabelle zu wählen. Das erklärte das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und verpflichtete den Gesetzgeber, eine Neuregelung zu schaffen und zwar rückwirkend zur Einführung der Lebenspartnerschaft am 1. August 2001 (Aktenzeichen 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07). Das Gesetz, das diese Entscheidung umsetzt, ist am 19. Juli 2013 in Kraft getreten.
Beim Splittingverfahren wird das Einkommen beider Ehegatten zusammengerechnet und so versteuert, als ob beide Ehegatten gleich viel verdienen würden. Das wirkt sich wegen des mit zunehmendem Einkommen steigenden Steuersatzes vor allem dann günstig aus, wenn ein Ehegatte viel und der andere wenig oder gar nichts verdient. Darin, dass eingetragene Lebenspartner bislang nicht den Vorteil des Ehegattensplittings genießen, sah das Bundesverfassungsgericht eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung. Allein der besondere Schutz der Ehe sei kein Rechtfertigungsgrund, weil die Lebenspartnerschaft wie die Ehe eine verbindlich verfasste Lebensform darstellt, die sich von der Ehe nicht mehr erheblich unterscheide. Auch den Zweck des Ehegatten-Splittings, die „Familienarbeit“ etwa in Form von Kindererziehung oder Pflege von Verwandten zu begünstigen, erkannte das Bundesverfassungsgericht nicht als Rechtfertigung an. Denn das Ehegattensplitting hängt nicht davon ab, ob es eine solche Familienarbeit gibt, vielmehr steht es auch kinderlosen Ehen zu, während es andererseits durchaus Lebenspartnerschaften mit Kindern gibt, sogar mit zunehmender Tendenz.
Welche konkrete Auswirkung hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Rückwirkung zum 1. August 2001? Kann jeder Lebenspartner und jede Lebenspartnerin nun rückwirkend zum 1. August 2001 sämtliche Einkommensteuerbescheide überprüfen und zu seinen Gunsten ändern lassen?
Leider nein. Nur Einkommensteuerbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind, können noch geändert werden. Das sind zum einen die Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Das Finanzamt muss diesen Vorbehalt ausdrücklich erklärt haben, meist mit dem Satz auf der ersten Seite: „Der Bescheid ergeht nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung“. Gibt es diesen Vorbehalt, sollten Sie in diesem Falle unter Hinweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteils Änderung des Bescheides und die Zusammenveranlagung mit ihrem Lebenspartner oder Ihrer Lebenspartnerin beantragen. Das Finanzamt muss allerdings nicht sofort ändern, sondern kann sich mit der Änderung Zeit lassen. Allerdings entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, auch wenn er zwischenzeitlich nicht aufgehoben wurde, automatisch mit Ablauf der Festsetzungsfrist, die vier Jahre beträgt.
Nicht bestandskräftig sind zum anderen die Bescheide, bei denen entweder die Einspruchsfrist von einem Monat noch nicht abgelaufen ist, oder gegen die Sie Einspruch eingelegt haben, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat. Ist die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen, sollten Sie sofort Einspruch eingelegen.
Aber auch bei abgelaufener Einspruchsfrist muss noch nicht alles zu spät sein. Denn dann sollten Sie prüfen, ob Sie sich nicht zu einem früheren Zeitpunkt mit einem Schreiben, auch Fax oder E-Mail an das Finanzamt gegen auf einen Steuerbescheid reagiert haben, etwa um Ihrer Ungleichbehandlung mit Ehegatten Ausdruck zu verleihen. Mit einem solchen Schreiben könnten Sie nämlich, auch wenn Ihnen das gar nicht bewusst war, Einspruch eingelegt haben. Denn ein Einspruch muss nicht ausdrücklich als Einspruch bezeichnet werden. Das Finanzamt muss durch Auslegung oder sogar Umdeutung des von Ihnen Verfassten ermitteln, was Sie wirklich mit dem Schreiben erreichen wollten. Bleibt es letztlich ungewiss, ob Sie tatsächlich Einspruch einlegen wollten, geht das zu Ihren Gunsten und zu Lasten des Finanzamtes.
Über jeden Einspruch hat das Finanzamt, wenn es ihm nicht abhilft, mit einer förmlichen Einspruchsentscheidung zu entscheiden, die dann den Klageweg vor das Finanzgericht eröffnet. In den seltensten Fällen wertet das Finanzamt einfache Schreiben, die nicht als Einspruch bezeichnet wurden, auch als Einspruch. Es besteht daher die Möglichkeit, dass Sie, wenn Sie nach dem Erlass oder auch der nachträglichen Änderung Ihrer Steuerbescheide für die Jahre seit 2001 mit dem Finanzamt korrespondiert haben, tatsächlich Einspruch eingelegt haben. Wenn das Finanzamt über diese Einsprüche noch keine Einspruchsentscheidung erlassen hat, dann sind diese Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig und müssen geändert werden.
Da die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner bislang getrennt veranlagt wurden, hat auch jeder der beiden einen eigenen Steuerbescheid erhalten. Um in den Genuss der Zusammenveranlagung zukommen, genügt es, dass nur einer der beiden Einkommensteuerbescheide nicht bestandskräftig ist. Wird dann die Zusammenveranlagung beantragt, muss das Finanzamt auch den anderen bereits bestandskräftigen Bescheid ändern.
Allerdings muss eine Zusammenveranlagung nicht immer günstiger sein. Bevor man sich um eine Änderung bemüht, sollte man durchrechnen, ob sich die Mühe überhaupt lohnt.
Vor dem Ehegattensplitting gab es bereits bei der Erbschaftssteuer und der Grunderwerbsteuer Lebenspartnerschaften die Gleichstellung mit der Ehe. Aber auch da wirkte die Gleichstellung nur für nicht bestandskräftige Bescheide zum 1. August 2001 zurück. Ist nach diesem Zeitpunkt Erbschaftssteuer oder Grunderwerbsteuer angefallen ist, könnte Ihr Erbschaftssteuerbescheid oder Grunderwerbsteuerbescheid ebenfalls nur vermeintlich bestandskräftig sein. Es könnte sich also lohnen, Ihre Unterlagen noch einmal nach „offenen Einsprüchen“ zu durchforsten.
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