Gibt es ein Recht am Bild der eigenen Sache?

Anmerkung zu den aktuellen Gerichtsurteilen:

Bundesgerichtshof (17.12.2010, V ZR 45/10; 01.03.2013, V ZR 14/12) – Preußische Gärten und Parkanlagen; Kammergericht Berlin (25.10.2012, 10 U 136/12) – BVG Graffiti.

Für Autoren, Fotografen, Filmemacher und Produzenten stellt sich nicht selten die Frage, ob man fremde Gegenstände wie Gebäude, Kunstwerke oder ähnliches ohne Zustimmung des Eigentümers fotografieren oder filmen darf, um diese Bilder für eigene Zwecke zu benutzen, z.B. als Postkarten, zur Illustration in Büchern oder im Film. Hierzu hat es in letzter Zeit mehrere obergerichtliche Entscheidungen gegeben, aus denen sich einige Grundsätze ableiten lassen. Es sind folgende Fälle zu unterscheiden:

  • der Gegenstand wurde von einer öffentlich zugänglichen Stelle (z.B. Straße) aus aufgenommen;
  • der Gegenstand gibt Auskunft über die Privatsphäre des Eigentümers oder Besitzers;
  • der Gegenstand wurde von privatem Grund und Boden (z.B. Parks und Museen oder Bahngelände) aus aufgenommen.

I. Aufnahmen von öffentlich zugänglichem Gelände aus

Würde man ein allgemeines Recht am Bild der eigenen Sache annehmen, dann wären Außenaufnahmen praktisch nicht mehr möglich. Denn jede Straße ist voll von Häusern, die jemandem gehören und selbst der deutsche Wald steht meist in privatem Eigentum, auch wenn dies nicht jedem Spaziergänger bewusst ist. Ein solches Recht des Eigentümers existiert nicht, Außenaufnahmen sind grundsätzlich zulässig.

Vorsicht ist allerdings geboten, wenn ein Gegenstand urheberrechtlich geschützt ist, wie etwa ein Werk der bildenden Kunst oder der Architektur. Dann steht dem Urheber grundsätzlich das alleinige Recht zu, von diesem Werk Aufnahmen herzustellen und zu verwenden. Selbst wenn der Eigentümer also in die Aufnahme eingewilligt hat, genügt dies nur, wenn der Urheber ihm hierzu das Recht eingeräumt hat. Andernfalls muss die Zustimmung des Urhebers, also des Künstlers oder Architekten, eingeholt werden. Von diesem Grundsatz macht allerdings § 59 UrhG eine bedeutsame Ausnahme: erlaubt ist die Verbreitung und Veröffentlichung von Außenaufnahmen urheberrechtlich geschützter Werke aller Art, also auch von Denkmälern etc., wenn diese sich dauerhaft an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Entscheidend ist, dass sie in dieser Form zum Straßenbild gehören. Vorübergehende künstlerische Gestaltungen bleiben urheberrechtsgeschützt wie etwa der verhüllte Reichstag von Christo. Nicht zulässig dürften ferner Detailaufnahmen sein, die ohne den Situationszusammenhang als gestalterisches Mittel quasi zweckentfremdet werden. Das Straßenbild als solches aber ist gemeinfrei, darf also ohne Zustimmung aufgenommen und verwertet werden.

Die Gemeinfreiheit des Straßenbildes gilt auch gegenüber dem Eigentümer, dessen Zustimmung ist also ebenso wenig erforderlich wie die des Urhebers. Denn über das Urheberrecht hinaus gibt es anders als bei Aufnahmen von Personen, bei denen das in § 22 KUG geregeltes Recht am eigenen Bild beachtet werden muss, bei Aufnahmen von Sachen grundsätzlich kein Recht am Bild der eigenen Sache. Mit der Erstellung von Sachaufnahmen ist keine Beeinträchtigung des Eigentums als solchem an der Sache verbunden, weil hierdurch in die Substanz der Sache nicht eingegriffen wird und der Eigentümer in seinen Möglichkeiten, die Sache zu nutzen oder über sie zu verfügen nicht eingeschränkt wird. Klassische Außenaufnahmen bleiben damit erlaubnisfrei. Diese Aufnahmen dürfen dann sogar für Werbezwecke veröffentlicht werden, ohne dass dem Eigentümer hierfür ein Entgelt gezahlt werden muss. So darf beispielsweise eine fremde Segelyacht aus der Ferne aufgenommen und für eine Werbung für Ferngläser verwertet werden.

II. Aufnahmen von Gegenständen aus der Privatsphäre

Die Herstellung und Verbreitung von Sachaufnahmen ist aber dann unzulässig, wenn hierdurch in die Privat- oder Intimsphäre des Besitzers oder Eigentümers eingegriffen wird und dadurch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Das gilt nicht nur für Aufnahmen des Wohnungsinnern und von öffentlich nicht zugänglichen Geschäftsräumen. Auch Außenaufnahmen sind dann unzulässig, wenn hierdurch Einblicke in die geschützte Privatsphäre seines Bewohners gewonnen werden, die Dritten sonst verschlossen sind, oder wenn ein Grundstück nur unter Überwindung von Hindernissen oder mit Hilfsmitteln wie Teleobjektiven, Leitern oder Flugzeugen gleichsam „ausgespäht“ wird. Im Einzelfall kann jedoch das Persönlichkeitsrecht gegen die Meinungs-, Presse- oder Rundfunkfreiheit abgewogen werden und die Veröffentlichung ausnahmsweise zulässig sein. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn eine Fernsehmoderatorin zuvor eine umfangreiche Medienberichterstattung über ihr Anwesen auf Mallorca gebilligt hat. Sie muss es dann auch hinnehmen, dass Luftbilder von ihres Feriendomizils auf Mallorca veröffentlich werden, zumal wenn diese recht abstrakt sind. Eine exakte Wegbeschreibung, wie man zu dem Feriendomizil gelangt, darf jedoch nicht mit veröffentlicht werden. Je nach Lage des Falls geprüft werden, welches Interesse im konkreten Einzelfall überwiegt. Das ist nicht immer rechtssicher zu entscheiden.

III. Aufnahmen vom privaten Gelände aus

Wenn das Grundstück, das Gebäude oder andere auf dem Grundstück befindliche Sachen nicht von allgemein zugänglichen Stellen, sondern vom Grundstück aus fotografiert werden, dann hängt die Erlaubnis nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs erst einmal ganz im Belieben des Grundstückseigentümers. Der Grundstückseigentümer darf bestimmen, ob das Gebäude oder das Grundstück fotografiert werden, weil er darüber entscheiden darf, wer sein Grundstück betreten darf und unter welchen Bedingungen. Wenn ein Eigentümer den Zutritt zu seinem Eigentum komplett verbieten darf, dann darf er auch eingeschränkten Zutritt gewähren, d.h. Zutritt unter der Bedingung, dass nicht fotografiert wird. Der Bundesgerichtshof sieht es auch als das Recht des Eigentümers an, die Früchte aus seinem Grundstück zu ziehen (§ 99 Absatz 3 BGB), wozu ebenso wie die Erträge etwa aus der Vermietung eines Schlosses als Filmkulisse auch die Erträge aus der Verwertung von Abbildern der Gebäude gehören.

Allerdings hat auch der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die Sozialbindung des Eigentums den Eigentümer, auch den privaten, zwingen kann, auch Dritten Aufnahmen von ihm gehörenden Gebäuden oder Sachen zu gestatten. So bestehe etwa ein allgemeines Interesse, künstlerisch oder sonst bedeutsame Bauten kennenzulernen, zumal wenn sie unter Denkmalschutz stehen und ihre Erhaltung aus öffentlichen Geldern subventioniert wird (Urteil vom 20. September 1974, Az. I ZR 99/73 – Schloss Tegel). Daraus folgt jedoch nicht automatisch, dass die Verwertung von Fotografien unentgeltlich zu gestatten ist. Allerdings hat ein öffentlich-rechtlicher Eigentümer die öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu beachten. Solche Vorgaben sind z.B. der Staatsvertrag der Länder Brandenburg und Berlin über die Einrichtung der Stiftung preußischer Schlösser und Gärten sowie die Satzung dieser Stiftung. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Herstellung von Bildaufnahmen zur gewerblichen Verwertung eine die Grenzen des der Öffentlichkeit nach dem Staatsvertrag zu gewährenden Zugangs überschreitende Nutzung darstellt und vom Eigentümer nicht hingenommen werden muss. Auch die Pressefreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz) eröffne keine Anspruch auf einen über die Grenzen des Gemeingebrauchs hinausgehenden Zugang zu öffentlichen Sachen. Den Interessen an der Information der Öffentlichkeit trage die Stiftung in ihren Richtlinien durch Entgeltermäßigungen und Entgeltfreiheit Rechnung.

Nach dem neuesten Urteil des Kammergerichts Berlin können Aufnahmen aber sogar gegen den Willen des Eigentümers zulässig und verwertbar sein, wenn es sie gemacht werden, um einen Beitrag im geistigen Meinungskampf zu leisten. Daher waren Aufnahmen in den Betriebsräumen der BVG (Berliner Verkehrsgesellschaft) zulässig, die in einem Dokumentarfilm über Graffiti-Kunst verwendet wurden. Dabei geht das Kammergericht allerdings davon aus, dass die BVG kein eigenes Interesse an der kommerziellen Verwertung der mit Graffiti versehenen Betriebsmittel hat. In diesem besonderen Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Information über illegale Graffiti-Kunst. Eine generelle Freistellung vom Zustimmungsvorbehalt des Eigentümers zu Aufnahmen auf dem Betriebsgelände ist mit dieser Entscheidung also mitnichten verbunden. Vielmehr betont auch das Kammergericht, dass ungenehmigte Aufnahmen innerhalb des Betriebsgeländes grundsätzlich das Eigentumsrecht verletzen.

Fazit: Wenn weder Urheberrechte noch Persönlichkeitsrechte berührt sind noch der Zutritt zum Standort der Aufnahme unter der Bedingung steht, dass keine Aufnahmen gemacht werden, kann das Bildmaterial ohne Einschränkungen verwendet werden. In allen anderen Fällen ist im Einzelfall zwischen dem Recht des Eigentümers oder anderer Rechteinhaber und dem Recht auf Meinungs-, Presse-, Rundfunk-, oder Kunstfreiheit abzuwägen. Der sicherste Weg ist natürlich immer, sich die Einwilligung des Eigentümers einzuholen. Aber Vorsicht: die Einwilligung des Mieters oder Pächters genügt in aller Regel nicht!

 

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