Mantelkauf: Unterbilanzhaftung des Verkäufers?

Klarstellung durch das Kammergericht: Unterbilanzhaftung trifft nur die an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligten Gesellschafter (Beschluss vom 14. April 2014 – Az. 23 W 15/14)

Die Gesellschafter einer GmbH, die gezwungen sind, ihr Geschäft aufgeben, weil sie keine Nachfolger gefunden haben, verkaufen nicht selten nach kompletter Aufgabe des Geschäftsbetriebs die zuvor leergeräumte Hülle ihrer GmbH im Wege des Mantelverkaufs an einen Käufer. Dieser übernimmt sämtliche Geschäftsanteile dieses GmbH-Mantels, ändert die Firma, tauscht den Geschäftsführer und stattet die leere GmbH mit einem neuen Geschäftsbetrieb aus. Dadurch und spart der Käufer die Neugründung einer GmbH. Die Verkäufer sparen sich die Liquidation der Gesellschaft und bekommen für den GmbH-Mantel auch noch etwas Geld.

Der Mantelkauf birgt erhebliche Haftungsrisiken, weil nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs derjenige, der einen GmbH-Mantel mit neuem Leben erweckt, dafür sorgen muss, dass die GmbH über das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Stammkapital verfügt. Ihn trifft persönlich eine so genannte Unterbilanzhaftung: Er persönlich muss das fehlende Kapital zum Schutz der Gläubiger nachschießen. Mit dieser Rechtsprechung will der Bundesgerichtshof verhindern, dass derjenige, der einen GmbH-Mantel kauft, besser gestellt ist als derjenige, der eine GmbH neu gründet. Denn dieser haftet nach dem Gesetz persönlich, wenn die GmbH bei Eintragung der GmbH mit über das notwendige Stammkapital verfügt.

Das Haftungsrisiko beim Mantelkauf pflanzt sich jedoch fort. Denn auch den späteren Erwerber einer GmbH tritt die Unterbilanzhaftung beim Mantelkauf. Auch er haftet persönlich, wenn der Käufer eines GmbH-Mantels eine Unterbilanz nicht ausgeglichen hat, selbst wenn er als späterer Erwerber an dem vorangegangenen Mantelkauf überhaupt nicht beteiligt war. Denn der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 6. März 2012 (Urteil vom 6. März 2012 – II ZR 56/10) klargestellt, dass eine nicht ausgeglichen Unterbilanz nach einem Mantelkauf eine rückständige Einlageverpflichtung darstellt, für die jeder Erwerber eines Geschäftsanteils neben dessen Veräußerer persönlich einzustehen hat.

Daraus, dass der Erwerber neben dem Veräußer hafte, wurde nun von manchen geschlossen, dass auch der an einem Mantelkauf beteiligte Veräußerer immer dann wegen Unterbilanzhaftung hafte, wenn die von ihm verkaufte GmbH nicht mehr mit dem notwendigen Stammkapital ausgestattet war, was in solchen Fällen in der Regel der Fall ist. Dem ist in einem von uns geschilderten Einzelfall auch die Rechtsprechung gefolgt, was wir an anderer Stelle bereits kritisierten.

In einem von uns vertretenen Fall hat nun das Kammergericht durch Beschluss vom 14. April 2014 – Az. 23 W 15/14 – deutlich gemacht, dass sich dieser Umkehrschluss verbiete. Das Kammergericht begründete das damit, dass die Unterbilanzhaftung erst mit der Neugründung entstehe. Die Unterbilanzhaftung treffe daher alleine die an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligten Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger, nicht aber deren Rechtsvorgänger.

Der Beschluss des Kammergerichts ist erfreulich, weil er klarstellt, dass die Gesellschafter einer GmbH sich darauf verlassen dürfen, dass sie nur auf das in der Vergangenheit einmal eingezahlte Stammkapital beschränkt haften, auch wenn dieses Kapital zwischenzeitlich verbraucht ist. Bei einem Mantelkauf haben es die Verkäufer nach der Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile nicht mehr in der Hand, was der Erwerber der GmbH mit der von ihr erworbenen GmbH anstellt.

Den Wortlaut des Beschlusses finden Sie hier:

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

Dr. X (InsVerw) ./. Y u. a.

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19.12.2013 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der antragsstellende Insolvenzverwalter begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die drei früheren Gesellschafter der insolventen Z. GmbH. Die Antragsgegner haben ihre Geschäftsanteile mit notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 21.01.2011 an den jetzigen Gesellschafter abgetreten. Dieser hat noch am selben Tag die neue Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht und die Eintragung einer Umfirmierung und eines neuen Geschäftsführers beantragt.

Der Antragsteller behauptet, die Gesellschaft sei seit Ende 2010 mit einem negativen Eigenkapital vom xx.xxx,xx EUR nur noch eine leere Hülle gewesen; bei der Umfirmierung im Januar 2011 habe es sich um eine nicht offengelegte wirtschaftliche Neugründung gehandelt. Der Antragsteller meint, die Antragsgegner nach den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung in Verbindung mit § 16 Abs. 2 Satz 2 GmbHG als Veräußerer der Geschäftsanteile auf Zahlung der auf sie jeweils entfallenden Anteile des Stammkapitals in Anspruch nehmen zu können.

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 19.12.2013 zurückgewiesen. Gegen den ihm am 08.01.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27.01.2014 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte, frist- und formgerecht eingelegt sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die beabsichtigte Klage hat, wie das Landgericht richtig festgestellt hat, keine Erfolgsaussicht. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass die Antragsgegner nicht an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligt waren, sondern sämtliche Geschäftsanteile der Schuldnerin bereits vor der Aufnahme der Geschäfte abgetreten haben.

1. Der Antragsteller geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass sich der Anspruch der Gesellschaft auf Kapitaldeckung im Falle einer wirtschaftlichen Neugründung primär gegen die an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligten Gesellschafter richtet.

Unterbleibt die mit der Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG und der Anmeldung etwaiger mit einer wirtschaftlichen Neugründung einhergehender Satzungsänderungen zu verbindenden Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, haften die Gesellschafter im Umfang einer Unterbilanz, die im Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt. Die an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligten Gesellschafter haben dann im Rahmen der Unterbilanzhaftung (anteilig) den – gegebenenfalls auch negativen – Wert des Gesellschaftsvermögens bis zur Höhe des zugesagten Stammkapitals auszugleichen (vgl. BGH, Urt. vom 06.03.2012 – II ZR 56/10 Rz. 28 f.).

2. Gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG haftet für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, der Erwerber neben dem Veräußerer. Daher müssen für eine nach vorstehenden Grundsätzen bereits entstandene Unterbilanzhaftung auch spätere Erwerber der Geschäftsanteile einstehen (vgl. BGH, Urt. vom 06.03.2012 – II ZR 56/10 Rz. 29).

Der Antragsteller will mit der beabsichtigten Klage aber nicht den Erwerber, sondern die Veräußerer der Geschäftsanteile der anschließend wirtschaftlich neu gegründeten Gesellschaft in Anspruch nehmen. Er meint anscheinend, aus der Aussage, dass der Erwerber neben dem Veräußerer hafte, folge zwingend, dass der Veräußerer auch stets neben dem Erwerber haften müsse. Das ist nicht richtig. Da die Unterbilanzhaftung erst mit der Neugründung entsteht, trifft sie allein die an der wirtschaftlichen Neugründung beteiligten Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger, nicht aber deren Rechtsvorgänger.